130 Jahre "Wiener Bürger", Walzer von C. M. Ziehrer

Im Herbst 1895 begann mit der Übernahme des Kapellmeistertätigkeit beim Infanterie-Regiment Nr. 4 "Hoch- und Deutschmeister" durch Carl Michael Ziehrer eine der erfolgreichsten Perioden altösterreichischer Militärmusik.

 

"Die Popularität der Deutschmeisterkapelle stieg zum Gipfel. Die Konzertlokale rissen sich um sie, bei größeren Ballfesten wollte man sie nicht missen" schrieb man in der 1928 erschienenen Regimentsgeschichte "Unsere Deutschmeister".

 

Einer Untersuchung des umfangreichen Repertoires der "Hoch- und Deutschmeister" unter Ziehrer zufolge, spielte die Wiener Tanzmusik eine dominierende Rolle in den Konzertprogrammen - der Wiener Walzer machte alleine ein Viertel aller gespielten Stücke aus! Fast ein Drittel aller aufgeführten Kompositionen waren von Ziehrer selbst.

 

 

Am 12. Februar 1890 übergab man den Festsaal des neue Wiener Rathauses seiner Bestimmung. Der an diesem Abend erstmals durchgeführte "Ball der Stadt Wien" war von nun an ein bürgerliches Pendant zum Hofball. Sein Reinerträgnis sollte den Armen zufließen. Zwei Orchester spielten abwechselnd an den Enden des langen Saales, die Kapelle des Hofballmusikdirektors Eduard Strauß und Carl Michael Ziehrer mit den Deutschmeistern.

 

Ziehrer widmete seinen an diesem Abend uraufgeführten Walzer op. 419 Wiener Bürger dem Gemeinderat der Stadt Wien (Beginn des ersten Walzers siehe das Notenbeispiel oben). In der Introduktion ahmt er die aufziehende Bürgergarde nach. Der Walzer fand großen Anklang beim Publikum. Zum 50-Jahr-Jubiläum der Uraufführung gab es 1940 sogar eine eigene Festveranstaltung im Großen Musikvereinssaal in Wien.

 

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die von der Strauß-Kapelle gespielte Widmung von Johann Strauß Sohn Rathausball-Tänze op. 438 weit weniger Erfolg hatte, auch wenn sie vom großen Walzerkönig geschrieben wurde und in der Introduktion und in der Coda Teile des weltberühmten Donauwalzers enthalten waren.

 

Literatur: Friedrich Anzenberger (Hrsg.), Symposiumsbericht - Symposium zur Musik der "Hoch- und Deutschmeister" in der Donaumonarchie, Spittal an der Drau 2016, und die dort zitierten Quellen.