Die hier angeführten „Strauss-Konzerte“ sind Beispiele für die Art und Weise, wie die Strauss-Kapelle im 19. Jahrhundert ihre Konzerte gestaltet hat; in ähnlicher Form haben auch die K.(u.)K. Militärkapellen ihre Konzerte aufgebaut.
Konzertablauf entsprach weitgehend der Tanzfolge bei Bällen
Auch wenn uns heute die Musik der Strauss-Dynastie v. a. durch Konzerte wie etwa das berühmte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker vertraut ist: Die Hauptaufgabe der Strauss-Kapelle was das Spielen von Tanzveranstaltungen. Den Lebenserinnerungen des jüngsten Strauss-Bruders Eduard folgend, spielte man bis zu vier Bälle „gleichzeitig“ in geteilten Besetzungen und Meister Strauss fuhr mit dem Fiaker zwischen den Auftrittsorten hin und her und dirigierte bei jedem Ball persönlich eine Widmungskomposition.
Was genau bei den Bällen alles gespielt wurde, erschließt sich heute kurioserweise nur noch aus einer Quelle: die in den Damenspenden angeführte Tanzfolge. Es war im 19. Jahrhundert üblich, dass die Damen beim Betreten des Ballsaales ein kleines, meist liebevoll gestaltetes Heftchen mit einem daran befestigten kleinen Bleistift erhielten, in das sich die Herren als Tänzer beim jeweiligen Stück eintragen konnten. Die Abbildung unten zeigt eine Seite aus einem Heftchen einer Damenspende mit zwei Werken und Platz für Eintragungen der Tänzer. Mit dem Haken befestigte man das Heftchen am Ballkleid. Die Pausen zwischen den Tänzen waren früher wesentlich länger, als dies heute bei einem Ball üblich ist.
Spielte die Strauss-Kapelle dann ein Konzert, verwendete man praktischerweise die Tanzfolge der gespielten Bälle und fügte einzelne „konzertante“ Werke, gerne Opern- oder Operettenouvertüren oder andere Stücke aus der Bühnenliteratur hinzu. Die Stücke vor der Mitternachtspause bei der Tanzveranstaltung („Vor der Ruhe“) entsprachen im Großen und Ganzen dem ersten, die nach der Pause dem zweiten Konzertteil. Auch die K.(u.)K. Militärkapellen machten dies in ähnlicher Weise.
Regelmäßiger Aufbau der Strauss-Konzerte
Die Konzertprogramme der Strauss-Kapelle sind heute weitgehend nachvollziehbar, da sie in den Zeitungen angekündigt wurden. Sie begannen mit einer Ouvertüre, der manchmal ein Marsch voranging. Danach folgte praktisch immer ein Wiener Walzer, oft gefolgt von einem Werk der Bühnenliteratur.
Daraufhin spielte die Strauss-Kapelle wie bei den Bällen verschiedene Tänze Wiener Prägung wie Polka française, Polka Mazur(ka), Polka schnell, Quadrillen oder auch weitere Walzer. Den Schluss des Konzertes bildete meist ein Marsch oder noch häufiger eine Polka schnell bzw. ein Galopp.
Bei diesem in der Praxis natürlich vielfach variierten Schema wurde ein Grundsatz „eisern“ eingehalten. Trotz einer Vielzahl von erhaltenen Programmen folgten niemals zwei gleichartige Tänze, also etwa zwei Walzer, unmittelbar hintereinander.
Strauss spielte nur Strauss
Noch ein weiteres wichtiges „Gesetz“ ist zu beobachten, das auch nach dem Studium von hunderten Programmen nicht widerlegt werden konnte: Die Strauss-Kapelle spielte ausschließlich (!) Tanzkompositionen von Johann Strauss Vater und seinen drei Söhnen Johann, Josef und Eduard, abgesehen natürlich von den Bühnenwerken, wo Verdi und Wagner beliebt waren. Kompositionen von „Tanzmusik-Konkurrenten“ wie Carl Michael Ziehrer ignorierte die Strauss-Kapelle völlig.
Reichhaltiges Repertoire: mehr als 1400 Tanzkompositionen
Insgesamt sind heute von Johann Strauss Vater und seinen Söhnen mehr als 1400 Tanzkompositionen nachweisbar. Mehrere hundert Werke sind auch in Arrangements für Blasmusik verfügbar, sodass es für Konzerte eine große Auswahl gibt. Es war übrigens auch im 19. Jahrhundert bereits üblich, die „Sträusse“ auch in Blasmusikbesetzung zu spielen; die K.u.K. Militärkapellen machten davon oft Gebrauch und führten sie nicht nur in Streichbesetzung auf.
Die Strauss-Kapelle – und auch die K.(u.)K. Militärkapellen – spielten normalerweise zwei solcher „Konzerthälften“ mit einer Pause dazwischen.
Die hier zusammengestellten Beispiel-Konzerte kann man sich jeweils mit den Spotify-Link unterhalb des Programms anhören.
Als Zugaben wäre – neben den heute üblichen Schluss-Stücken des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker (Walzer op. 314 An der schönen blauen Donau von Johann Strauss Sohn und Radetzky-Marsch op. 228 von Johann Strauss Vater) auch gut eine Polka schnell von einem der Strauss-Brüder möglich …
Einzugsmarsch aus der Operette Der Zigeunerbaron von Johann Strauss Sohn
Ouvertüre zur Operette Die Fledermaus von Johann Strauss Sohn
Kaiser-Walzer op. 437 von Johann Strauss Sohn
Fledermaus-Quadrille op. 363 von Johann Strauss Sohn
Feuerfest-Polka op. 269 von Josef Strauss
Annen-Polka op. 117 von Johann Strauss Sohn
Frühlingsstimmen, Walzer op. 410 von Johann Strauss Sohn
Unter Donner und Blitz, Polka schnell op. 324 von Johann Strauss Sohn
Deutschmeister-Jubiläumsmarsch op. 470 von Johann Strauss Sohn
Ouvertüre zur Operette Eine Nacht in Venedig von Johann Strauss Sohn
Künstlerleben, Walzer op. 316 von Johann Strauss Sohn
Zwischenaktsmusik (Nr. 12) zum 3. Akt der Operette Die Fledermaus von Johann Strauss Sohn
Stadt und Land, Polka Mazurka op. 332 von Johann Strauss Sohn
Demolirer-Polka française op. 269 von Johann Strauss Sohn
Morgenblätter, Walzer op. 279 von Johann Strauss Sohn
Leichtes Blut, Polka schnell op. 319 von Johann Strauss Sohn
Liechtenstein-Marsch op. 36 von Josef Strauss
Ouvertüre zur Operette Der Zigeunerbaron von Johann Strauss Sohn
Wiener Blut, Walzer op. 354 von Johann Strauss Sohn
„Komm in die Gondel, mein Liebchen“ (Gondellied) aus der Operette Eine Nacht in Venedig von Johann Strauss Sohn
Glücklich ist, wer vergisst, Polka Mazurka op. 368 von Johann Strauss Sohn
Im Krapfenwald’l, Polka française op. 281 von Johann Strauss Sohn
Geschichten aus dem Wienerwald, Walzer op. 325 von Johann Strauss Sohn
Auf der Jagd, Polka schnell op. 373 von Johann Strauss Sohn
Freiheits-Marsch op. 226 von Johann Strauss Vater
Ouvertüre zur Operette Waldmeister von Johann Strauss Sohn
Sphärenklänge, Walzer op. 235 von Josef Strauss
Draußen in Sievering blüht schon der Flieder von Johann Strauss Sohn
Ein Herz, ein Sinn, Polka-Mazurka op. 323 von Johann Strauss Sohn
Damenspende, Polka française op. 305 von Johann Strauss Sohn
Rosen aus dem Süden, Walzer op. 388 von Johann Strauss Sohn
Bahn frei, Galopp op. 45 von Eduard Strauss