"Schönfeld-Marsch" von Carl Michael Ziehrer

Der sicherlich am häufigsten gespielte Marsch von Carl Michael Ziehrer hat eine interessante Entstehungsgeschichte, die die bisher tradierte Version des verdienten Ziehrer-Biographs Max Schönherr (Carl Michael Ziehrer. Sein Werk - sein Leben - seine Zeit, Wien: Bundesverlag, 1974, S. 364-366) in Frage stellt. Nach Willy Sommer, einem Mitglied der Deutschmeistermusik, soll sich  Anton Freiherr von Schönfeld nach dem ihm längst versprochenen Marsch erkundigt und Ziehrer den Marsch innerhalb kürzester Zeit geschaffen haben, der dann auch gleich ohne Probe aufgeführt worden ist.

 

Doch der Schönfeld-Marsch ist wesentlich älter. Dafür sprechen zwei Zeitungsberichte, die dankenswerterweise von den renommierten Forscherkollegen Mag. Raimund Sulz und Prof. Walter Schwanzer gefunden wurden. Raimund Sulz hat sich mit der „Vorgeschichte“ dieser populären Komposition intensiv beschäftigt und dem Verfasser dieser Zeilen die Unterlagen seiner geplanten Publikation über die Hoch- und Deutschmeister zur Verfügung gestellt, die im Folgenden kurz zusammengefasst werden sollen.

 

In der Ausgabe des Wiener Jornals vom 25. Dezember 1906, in denen der „Passionsweg“ verschiedener Komponisten geschildert wird, deren Werke zunächst „durchgefallen“ sind, später aber berühmt wurden, kommt auch Carl Michael Ziehrer zu Wort. Er hatte dem Feldzeugmeister Josef Freiherr von Maroičić einen nach ihm benannten Marsch gewidmet, der von diesem aber nicht geschätzt wurde. Raimund Sulz vermutet nun, dass dies der spätere Schönfeld-Marsch war und von Ziehrer später „wiederverwertet“ wurde. Auch der später von Ziehrer geschriebene Maroičić-Marsch op. 175 fand beim Widmungsträger übrigens keinen Gefallen, er verbot sogar die weitere Aufführung. Auch ein weiterer Artikel von Paul Wilhelm im Neuen Wiener Journal vom 27. August 1911 bekräftigt diese Sichtweise.

 

Dem Wiener Fremden-Blatt ist zu entnehmen, dass der „wiederverwertete“ *Schönfeld-Marsch* unter diesem Titel am 16. Oktober 1890 im Grand Etablissement Stalehner im Rahmen des Novitäten-Konzerts des K.u.K. Infanterie-Regiments Nr. 4 „Hoch- und Deutschmeister“ erstmals öffentlich gespielt wurde.

 

Schon Max Schönherr vermutete, dass dieser Marsch sicherlich schon vorher im Kasernenhof aufgeführt wurde. Dies deckt sich den Forschungen von Raimund Sulz folgend mit den Erinnerungen von Franz Wolfsecker, der Schlagzeuger bei den Deutschmeistern war. Er berichtete, dass Ziehrer anlässlich einer Musterung den Freiherrn von Schönfeld bat, den ihm gewidmeten Marsch spielen zu dürfen. Die Erlaubnis wurde erteilt und der Korpskommandant Schönfeld soll danach Ziehrer zu dieser Komposition gratuliert haben. Der Widmungsträger Anton Freiherr von Schönfeld (1827-1898) war Feldzeugmeister, General der Artillerie und Generaltruppeninspektor der K.u.K. Armee.

 

Der Freiherr von Schönfeld-Marsch - so der ursprüngliche Titel - ist heute niederösterreichischer Traditionsmarsch und wurde dem Niederösterreichischen Infanterie-Regiment Nr. 6 in der Zwischenkriegszeit und dem Panzerbataillon Nr. 10 in der Zweiten Republik zugeordnet. Der Schönfeld-Marsch gehört zu den erfolgreichsten Märschen; er war auch außerhalb der Grenzen des Habsburgerreiches populär: In Frankreich trug der Marsch den Titel Vive Paris, in den englischsprachigen Ländern wurde er als Chivalry-Marsch verkauft. Der „Schönfeld-Marsch“ ist auch einer der wenigen österreichischen Märsche, die auch in die Deutsche Armeemarsch-Sammlung (HM II, 149) aufgenommen worden sind.

 

Die Einleitung des Marsches enthält das Anruf-Signal der „Hoch- und Deutschmeister“, zu dem die Soldaten des Regiments den Text (ab dem 2. Takt): „Mir san mir, mir san von Num’ro vier“ dichteten.

 

Der Schönfeld-Marsch ist als Notenausgabe in verschiedenen Verlagen erschienen, es gibt zahlreiche Einspielungen u. a. auf Spotify und YouTube.