130 Jahre "Unter dem Doppel-Adler" von J. F. Wagner

Josef Franz Wagner kam am 20. März 1856 in Wien als Sohn eines Arztes zur Welt. Er nahm - ebenso wie sein späterer Militärkapellmeister-Kollege Carl Michael Ziehrer - Unterricht in Harmonie-, Kompositions- und Instrumentationslehre bei Johann Emmerich Hasel (1828-1900).

 

1876 debütierte J. F. Wagner mit eigenem Orchester beim "Grünen Thor" Wien, im Folgejahr stellte ihn die  Deutsche Kunst- und Musikzeitung auf dem Titelblatt als erfolgreichen Komponisten vor.

 

1878 bis 1891 war er Militärkapellmeister beim K.u.K. Infanterie-Regiment Nr. 47 in Trient (heute Trento, Italien), Wien und Marburg (heute Maribor, Slowenien). 1891 wechselte er in gleicher Funktion zu den "49ern" in Krems an der Donau und Brünn (heute Brno, Tschechische Republik), wo er bis 1899 blieb. Danach gründete der "Musikdirektor Josef Franz Wagner" eine private Kapelle, die nach Aussage der Wiener Theater- und Fremdenzeitung " mit den besten der Welt concurrieren" konnte.

 

Bereits seit den 1890er Jahren war J. F. Wagner kränklich und klagte in seinen Briefen über den ständigen "furchtbaren Kopfschmerz", später litt er an Bronchitis. Die letzten eineinhalb Lebensjahre plagte ihn ein schwieriges Herzleiden, er musste die meiste Zeit im Bett verbringen. Große finanzielle Probleme kamen dazu. Josef Franz Wagner starb am 5. Juni 1905 in seiner Wiener Wohnung in der Kandlgasse 16.

 

Wie viele seiner erfolgreichen Kollegen trat J. F. Wagner mit seiner Militärkapelle oft bei privaten Konzert- und Ballveranstaltern auf. Wie "begehrt" er war, mag an einigen kleinen Beispielen illustriert werden.

 

Die Grazer Morgenpost berichtete am 23.2.1889 gleich von drei Bällen, die er mit den "47ern" am selben Tag (!) in geteilten Besetzungen spielte.

 

Während seiner Garnisonierung in Krems an der Donau fuhr er mit seinen Musikern mit der Bahn mehrmals pro Woche (!) nach Wien zum Konzertieren, obwohl in der Reichs-, Haupt- und Residenzstadt mehrere andere Militärkapellen stationiert waren, oft spielte er im heute noch bestehenden Kursalon (Abbildung). Auch von seinem Garnisonsort Brünn fuhr er regelmäßig nach Wien, um dort aufzutreten.

 

Als 1895 das Regiment für zwei Jahre nach Mostar versetzt wurde, durfte J. F. Wagner - bei vollen Bezügen - in Wien bleiben, komponierte fleißig und sendete Widmungswerke nach Mostar ...

 

Unter seinen mehr als 500 Kompositionen befinden sich vor allem Märsche und Wiener Tanzmusik. Bereits seine Zeitgenossen bezeichneten J. F. Wagner aber als den "Österreichischen Marschkönig" oder den "Wiener Marschkönig".

 

Er trug diesen Ehrentitel nicht zu unrecht. Sein Gigerl-Marsch op. 151 (Abbildung) ist zwar heute ebenso vergessen wie die Operette, aus der er stammt: Die Gigerl von Wien - aber die Notenausgabe des Marsches wurde vom Wiener Verleger Rebay & Robitschek im 19. Jahrhundert mehr als 300.000 Mal (!) verkauft.

 

Sein Erzherzog Ferdinand Carl-Marsch op. 398 soll während der Deutschen Ausstellung für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft in Aussig an der Elbe (heute Ústi nad labem, Tschechische Republik) insgesamt 860 Mal gespielt worden sein.

 

Als populäre Werke sind auch der Marsch Tiroler Holzhacker-Buab'n op. 356 und der heute noch viel gespielte 47er Regimentsmarsch op. 180 zu nennen.

 

Am 28.4.1890 schrieb J. F. Wagner den General-Fiedler-Marsch. Aufgrund der zahlreichen Konzerte bei privaten Veranstaltern musste dem Publikum immer etwas Neues geboten werden, manchmal verwendete man Kompositionen ein weiteres Mal ...

 

So findet sich im Nachlass Wagners in der Wien-Bibliothek im Rathaus der Marsch Unter dem Doppel-Adler. op. 159, datiert am 30.11.1890, mit exakt gleichem Notenbild wie der General-Fiedler-Marsch.

 

Er wurde höchstwahrscheinlich beim Konzert der "47er" beim "Schwarzen Adler" am Griesplatz Nr. 6 in Graz erstmals gespielt. Die Uraufführung dürfte kein besonderer Erfolg gewesen sein, die Presse berichtete darüber nichts, wie es sonst bei Wagners Kompositionen oft üblich war.

 

Im Herbst 1891 sind auch Aufführungen des "Doppeladlers" von anderen Orchestern nachweisbar. 1892 besuchte Erzherzog Karl Ludwig ein Konzert J. F. Wagners in Wien und teilte ihm mit, dass er diesen Marsch sehr gerne auf dem Klavier spiele. Carl Michael Ziehrer, der 1893 mit einer Privatkapelle in Deutschmeister-Uniformen in "Old Vienna" in Chicago war, dürfte den Marsch in den Vereinigten Statten bekannt gemacht haben, und bald sind in vielen europäischen Ländern und auch aus Russland Notenausgaben oder Aufführungen nachweisbar.

 

Unter dem Doppel-Adler erreichte bis um 1900 ebenso wie der Gigerl-Marsch mehr als 300.000 verkaufte Exemplare beim Musikverleger Rebay & Robitschek. Außergewöhnlich war aber beim "Doppeladler" das sehr große internationale Interesse an diesem Marsch, der von vielen anderen Verlegern nachgedruckt wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurde er auch bereits auf Edison-Zylinder aufgenommen. Er gehört heute noch zu den hundert am meisten gespielten Märschen in den USA.

 

2006 gab es in Zeillern (Niederösterreich) auch ein Josef-Franz-Wagner-Symposium erstmals mit einem Konzert ausschließlich mit seinen Werken. Aus seinem umfangreichen Schaffen wurden neu arrangierte Werke vorgestellt, auch eine Monographie Der Marschkönig Josef Franz Wagner mit vollständigem Werkverzeichnis ist erschienen: Walter Schwanzer Musikverlage.