Militärkapellmeister Emil Nikolaus von Reznicek: Marginalien zu seinem 75. Todestag

Sein Großvater Josef – er schrieb sich Resnitschek oder Rezniczek – war bereits Militärkapellmeister. Er kam 1787 auf die Welt und leitete spätestens ab 1825 die Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 60 in Wien (Kaiserebersdorf) und Krems an der Donau bis zu seinem Tod am 25. Jänner 1848. Josef Resnitschek erlangte für die Militärmusikgeschichte insofern besondere Bedeutung, weil er einer der ersten war, die häufig bei Unterhaltungskonzerten in Wien gemeinsam mit Johann Strauß Vater und Josef Lanner auftraten. 1832 sprach der Rezensent der Wiener Zeitung anlässlich eines gemeinsamen Konzertes mit Lanner von Resnitscheks „begeisterten Märschen der schmetternden Trompete“, die sich „Lanners lieblichen Wienertänzen“ gegenüberstellten.

 

Sein Vater war der K. u. K. Feldmarschall-Leutnant Josef Reznicek (1812-1887, Foto links), der 1853 in den Ritterstand und 1860 in den Freiherrenstand erhoben wurde. Seine Mutter Clarisse Fürstin Ghica-Budesti entstammte dem rumänischen Hochadel.

 

Emil Nikolaus von Reznicek (Foto rechts) wurde am 4. Mai 1860 in der Wiener Josefstadt im Eckhaus Florianigasse/Buchfeldgasse geboren und erhielt ab dem 11. Lebensjahr Klavierunterricht. 1874 übersiedelte die Familie nach Graz, wo er Tonsatz bei Wilhelm Treiber studierte und erste Kompositionen entstanden (Erinnerungs-Galopp op. 1, siehe unten).

 

Nach der Matura sollte Emil Nikolaus nach dem Willen des Vaters Jus in Graz studieren, da er für das Militär nicht tauglich war. Zugleich erhielt er eine musikalische Ausbildung bei Wilhelm Mayer (Pseudonym W. A. Rémy) in Graz, die am Leipziger Konservatorium weitergeführt wurde.

 

Emil Nikolaus war dann Theaterkapellmeister in Zürich, Stettin, Bochum und Berlin, von 1887 bis 1895 lebte er in Prag, zunächst als Komponist für das deutsche Theater.

 

Im Jahr 1890 (nicht wie vielfach angeführt 1889) übernahm er die Militärkapellmeisterstelle bei den „88ern“ in Prag. In der Biographie, die seiner Tochter Felicitas von Reznicek 1960 aufgrund seiner Lebenserinnerungen veröffentlichte, werden die guten Bedingungen genannt, zu denen er angestellt wurde: Gage eines Hauptmanns I. Klasse mit 100 Gulden monatlich, dazu 25 Gulden Quartiergeld und 13% Beteiligung an den Einnahmen der Kapelle. Bestimmend dafür sollen nicht nur die hohe Stellung seines Vaters, sondern auch die musikalischen Erfolge seines Großvaters gewesen sein. Schon im zweiten Jahr soll er jährlich insgesamt 16.000 Gulden verdient haben, was heute fast einer Viertelmillion Euro entsprechen würde – ein kleines Vermögen!

 

Seine Konzerte, bei denen er auch umfangreiche symphonische Werke gespielt hat, waren fast immer ausverkauft. Teilweise orientierte er sich auch an besonderen Gedenktagen, wie den 100. Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart am 5. Dezember 1891. In den Zeitungen etwa im Prager Tagblatt (siehe Abbildung unten vom Konzert am 6. November 1890) oder im Prager Abendblatt wurden seine Auftritte, bei denen er die Sänger auch selbst auf dem Klavier begleitete, vielfach sehr gelobt.

 

Das jähe Ende seiner Tätigkeit wird lediglich in den von seiner Tochter Felicitas unter dem Titel „Gegen den Strom“ herausgegebenen Memoiren geschildert, in den Zeitungen findet man darüber nichts. Es war ein Konzert wohl im Frühsommer 1892; nicht wie in den Memoiren angegeben im Jahr 1894, denn ab 1. Juli 1892 war bereits Rezniceks Nachfolger Johann Kalensky Kapellmeister bei den „88ern“. Während des Konzerts in den Parkanlagen in Prag konnte Emil Nikolaus beobachten, wie ein Jus-Student sich seiner Frau Milka näherte und zudringlich wurde. Kapellmeister Reznicek, der soeben begonnen hatte, die Tannhäuser-Ouvertüre zu dirigieren, brach jäh ab, warf den Dirigentenstab hin, sprang vom Podium und zog seinen Säbel. Es kam zu einem Duell, bei dem Emil Nikolaus – den der Vater in Graz beim berühmten Florett-Meister Vandelli hatte ausbilden lassen – „hervorragend abschnitt“. Kapellmeister Reznicek wurde allerdings danach zum Regimentskommandanten beordert und war seinen lukrativen Job los.

 

Die Uniform musste er in der Kaserne lassen. Beim langen Warten auf einen – damals natürlich maßgeschneiderten – Zivilanzug fiel ihm das Buch zu Donna Diana in die Hände und dann entstand, so berichtete Felicitas von Reznicek, innerhalb von zwei Monaten eine Oper, die seine erfolgreichste werden sollte.

 

Weiters wirkte er als Kapellmeister in Weimar, Mannheim und Berlin, wo er die Philharmonischen Kammerkonzerte einführte. Von 1906 bis 1909 dirigierte er in der Oper in Warschau und war Dirigent der Philharmonischen Konzerte, danach blieb er in Berlin, wo er nach dem Ersten Weltkrieg auch an der Berliner Hochschule unterrichtete.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 bedeutete für Emil Nikolaus einen tiefen Einschnitt im Leben seiner Familie, da seine Frau jüdischer Abstammung war. Tochter Felicitas – die auch im Widerstand tätig war – besorgte in der Schweiz für sie gefälschte Dokumente. Um seine Familie zu schützen, trat er 1934 in den von Richard Strauß initiierten „Ständigen Rat für internationale Zusammenarbeit der Komponisten“ ein.

 

Als die Luftangriffe auf Berlin 1943 zunahmen, überredete ihn seine Tochter, in Baden bei Wien Schutz zu suchen. Ein Schlaganfall in Baden machte Emil Nikolaus 1943 weitgehend handlungsunfähig. Nach kurzem Aufenthalt in Bad Saarow (Brandenburg) kehrte er nach Berlin zurück, wo er am 2. August 1945 starb.

 

Emil Nikolaus von Reznicek hat ein umfangreiches musikalisches Werk hinterlassen, das aus Bühnenwerken, Chorkompositionen, Orchesterwerken, Kammermusik und Liedern besteht. Seine Ouvertüre zu Donna Diana wurde 1988 sogar beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker unter Claudio Abbado gespielt, auch seine Lustspielouvertüre ist manchmal noch auf den Konzertprogrammen zu finden.

 

Ein Teil der Kompositionen befindet sich heute in seinem Nachlass in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Tochter Felicitas von Reznicek hat 1960 beim Amalthea-Verlag (Zürich-Leipzig-Wien) unter dem Titel Gegen den Strom. Leben und Werk von E. N. von Reznicek eine umfassende Biographie herausgebracht, der auch ein Werkverzeichnis von Leopold Nowak angeschlossen ist.